Erarbeitet vom Arbeitskreis 2 (Kleintiere)
Verantwortliche Bearbeiter:
Dr. Heidi Bernauer-Münz
Stand: Sept. 2014 1.
1. Einleitung
Nach dem Wortlaut des Tierschutzgesetzes (§3 Nr.11) ist es verboten, Geräte zu verwenden, die einem Tier durch direkte Stromeinwirkung erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen können. Damit ist der Einsatz eines „Telereizgeräts“, also der Einsatz eines Elektroschocks bei der Ausbildung eines Hundes, verboten. Nach einer Klage hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seinem Urteil vom 23.02.2006 entschieden, dass der Einsatz von Elektroreizgeräten, die erhebliche Leiden oder Schmerzen verursachen können, bei der Hundeausbildung nach geltendem Tierschutzrecht verboten ist. Auch die Vorinstanzen hatten das Anwendungsverbot bestätigt. Dabei komme es insbesondere nicht darauf an, ob dem Tier schon durch erhöhte Stromstärke oder falschen Einsatz konkrete Schmerzen oder Schäden zugefügt wurden. Das Verbot umfasst auch moderne Telereizgeräte im Niederstrombereich mit einer Stromstärke unter 100mA. Entscheidend ist nicht die korrekte Verwendung im Einzelfall, sondern die Tatsache, dass ein Gerät von seiner Bauart und Funktionsweise her geeignet ist, dem Tier erheblichen Schaden zuzufügen.
Nicht verboten sind aber weiterhin Verkauf und Erwerb von Elektroreizgeräten. Auch eine Zeitschriftenreklame mit diesen Geräten ist zulässig. Trotz Novellierung des Tierschutzgesetzes im Juni 2013 hat sich daran nichts geändert.
Viele Hundebesitzer wissen nicht, dass der Einsatz des Gerätes generell verboten ist.
2. Belohnung und Strafe
Belohnung und Strafe haben Einfluss auf das Verhalten eines Tieres. Bei Belohnung versucht es, das Verhalten erneut zu zeigen, um eine weitere Belohnung zu erhalten. Bei Strafe wird das Tier versuchen, das Verhalten nicht mehr zu zeigen, um der Strafe zu entgehen.
In der Hundeausbildung mit Belohnung zu arbeiten ist zunächst relativ ungefährlich, da bei Fehlern der Erfolg zwar ausbleibt, der Hund aber positiv gestimmt ist. Zu beachten ist jedoch, dass das Belohnen unerwünschten Verhaltens dieses fördert und damit zukünftig ebenfalls zu kritischen Situationen führen kann.
Im Gegensatz dazu besteht beim Einsatz von Strafen, um ein unerwünschtes Verhalten zu unterbinden, ein großes Risiko. Um erfolgreich zu sein, muss auf jedes Fehlverhalten immer sofort eine Strafe erfolgen, ein fast aussichtsloses Unterfangen, da das Fehlverhalten nicht immer vorhersehbar ist.
Der Hund kann eine Strafe ignorieren, weil sie zu schwach ist. Die Strafe ist damit wirkungslos und unterdrückt nicht das unerwünschte Verhalten. Hatte die Strafe einen Effekt, so wird das Verhalten zwar nicht gezeigt, aber auch nicht verlernt. Da das Verhalten nur unterdrückt wird, kann es jederzeit wieder auftreten. Ist die Strafe zu stark, empfindet der Hund Angst, die auch die Beziehung zum Besitzer belastet. Durch den Einsatz zum falschen Zeitpunkt (falsches Timing) kann der Hund keinen Zusammenhang zwischen seiner Handlung und der Strafe erkennen. Bestrafung Er hat das Gefühl, durch sein Verhalten keinen Einfluss mehr auf die Strafe zu haben und wird zunehmend hilfloser (erlernte Hilflosigkeit).
Hinzu kommt, dass der Hund jede Strafe nicht nur mit seiner eigenen Verhaltensweise, sondern auch mit jedem anderen Reiz in seiner Umgebung verknüpfen kann (z.B. mit einem zufällig zu sehenden Kind oder einem bestimmten Geräusch) und den Hund zu späterem plötzlich auftretendem aggressiven Verhalten bringen kann.
Das Empfinden und die Reaktion auf Fehler beim Strafen ist für jeden Hund spezifisch. Während die Strafe für den einen Hund nicht ausreicht, um das Verhalten zu unterdrücken, empfindet ein anderer Hund die gleiche Strafdosis als hoch traumatisch.
Wer Strafen einsetzt, muss genau wissen, was er tut, absolut perfekt im zeitlichen Einsatz (Timing) sein und trägt trotzdem das Restrisiko einer Fehlverknüpfung.
3. Folgen fehlerhafter Strafeinsätze
Der Einsatz eines Geräts, welches per Knopfdruck eine Strafe auslöst, bietet ein größeres Potential an Fehleinsätzen als eine direkte Strafeinwirkung, da der Einsatz sehr leicht gemacht wird. Zeitverzögerte Strafen und damit verbundene Fehlverknüpfungen sind besonders bei unerfahrenen oder leichtfertigen Anwendern sehr schnell möglich. Aber auch bei einem guten und erfahrenen Hundeausbilder muss davon ausgegangen werden, dass Fehler im Timing unterlaufen können. Niemand ist perfekt und immer 100% konzentriert. Zwischen Verhalten des Hundes und dem nachfolgenden Strafreiz dürfen maximal etwa 0,5 Sekunden liegen- eine sehr kurze Zeitspanne und der Strafreiz muss bei jedem Fehlverhalten gesetzt werden. Bei Fehlern sind die Folgen dramatisch: der Hund hat das Gefühl, keinerlei Einfluss auf den Strafreiz zu haben. Der Hund erlebt eine Hilflosigkeit, die er nicht durchbrechen kann und leidet dadurch erheblich.
Durch den nicht beeinflussbaren Dauerstress wird das Immunsystem geschwächt und eine Vielzahl von leichten bis schweren Erkrankungen sind die Folge. Daneben gibt es auch Hunde, die versuchen, sich mit aggressivem Verhalten in einer für sie aussichtslosen Situation zu wehren – ihr Schicksal ist dann schnell entschieden.
Wie die Stromeinwirkung vom Hund tatsächlich empfunden wird, kann schwer nachempfunden werden. Die Schmerzempfindlichkeit ist individuell verschieden und entsprechend unterschiedliche Schmerzreaktionen sind zu beobachten. Ein Hund mit weniger heftigem Verhalten kann zudem trotzdem große Schmerzen empfinden, sie werden durch sein reduziertes Verhalten nur weniger beachtet. Hinzu kommt, dass sich die Sensibilität der Haut verändern kann, z.B. durch Erkrankungen oder auch durch Feuchtigkeit in der Umwelt, wie Regen oder Tau. Der Schmerzreiz fällt dann trotz gleicher Einstellung am Gerät stärker aus.
Verschiedene wissenschaftliche Studien erläutern die problematische Anwendungsweise und unterstützen damit das Anwendungsverbot.
4. Fazit
Der Einsatz von Strafe ist grundsätzlich risikoreich und sollte in der Hundeausbildung generell vermieden werden.
Folgerichtig hat der Gesetzgeber den Einsatz von elektrischen Erziehungshilfen verboten, allerdings Sonderreglungen der Bundesländer zugelassen. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dass alle Geräte, die erhebliche Leiden oder Schmerzen verursachen können, verboten sind, wurden Sonderregelungen aufgehoben und explizit auf das Anwendungsverbot hingewiesen.
5. Literatur
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Urteil vom 23.02.2006 (AZ 3 C 14.05)
Das Deutsche Tierschutzgesetz §3 http://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/
Feddersen-Petersen, Dorit U.: Hundepsychologie. Kosmos Verlag (2004)
Lindsay, Steven R.: Handbook Of Applied Dog Behavior And Training. Iowa State University Press (2000)
McFarland, David: Biologie des Verhaltens. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim (1989)
Schalke, E., Stichnoth, J., Jones-Baade, R.: Kongressbericht zum Meeting des IVBM 2006 Stress symptoms caused by the use of electric training collars on dogs in every day life situations.
Schilder, M.B.H., Van der Borg, J.A.M.,: Training dogs with help of the shock collar: short and long term behavioural effects. Applied Animal Behaviour Science 85, 319-334 (2003)
Stichnoth, Juliane: Stresserscheinungen beim Einsatz von elektrischen Erziehungshalsbändern. Dissertation Tierschutzzentrum Tierärztliche Hochschule Hannover (2002)
Zu diesem Merkblatt
Dieses Merkblatt wurde erarbeitet vom Arbeitskreis 2 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (Kleintiere), (Stand 1993).
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